Bitter macht lustig: die Vogelbeere

von wildkraeuterkoechin
Vogelbeeren in einer Schale

Mit den Früchten der Eberesche haben Spätsommer und Herbst eine oft verkannte Delikatesse zu bieten. Wer Bitterstoffe nicht scheut, kann mit Vogelbeeren interessante Genüsse und eine Extraportion Vitamin C auf den Tisch bringen.

Dieses Jahr sind sie früh dran. Hellorange leuchten sie mir in dicken, schirmförmigen Rispen entgegen, wenn ich durch den Forst radle. Die zierlicheren Äste biegen sich bereits unter der Beerenlast. Ab Anfang September kann ich reichlich ernten: Vogelbeeren! Die bitter-sauer-süßen Früchte der Eberesche sind eine meiner liebsten Wildpflanzenleckereien. Und das, obwohl ich wie viele andere auch, lange der Überzeugung war, sie seien giftig. Sind sie aber nicht. Sondern – richtig zubereitet – eine wahre Delikatesse.

Der Geschmack von Apfelkernen

Ein typisches, gezähntes Ebereschen-Blatt
Gefiedert und gezähnt: die Blätter der Eberesche.

Die Eberesche – Sorbus aucuparia L. – gehört zur Familie der Rosengewächse. Meist sind es schlanke, bis 15 Meter hohe Laubbäume, seltener Sträucher. Die wechselständigen Blätter sind gefiedert, die Einzelfiedern länglich-eiförmig und bei der echten Eberesche oft deutlich gezähnt. Zuchtformen erkennt man oft daran, dass die Zahnung wesentlich geringer ausfällt oder nur an Blattteilen zu erkennen ist. Und daran, dass die Beeren größer sind.

Blütezeit der Eberesche, die auch Drosselbeere, Spatzen- oder Teufelskirsche genannt wird, ist von Mai bis Juni. Die kleinen weißen Blüten erscheinen in schirmförmigen Rispen. Ebenso zeigen sich ab dem Hochsommer die Beeren. Einzeln betrachtet sind sie kugelig, so groß wie Erbsen und erinnern in der Form ein wenig an winzige Äpfel. Wie diese tragen sie ihre Kerne – drei an der Zahl – in einem Sammelbalg. Wer junge Blattknospen nascht, entdeckt auch schnell den typischen Geschmack von Apfelkernen: Blätter, Blüten und Früchte der Eberesche enthalten unter anderem Blausäureglykoside. Viel sollte man deshalb von unverarbeiteten Blättern nicht essen. Blausäure verflüchtigt sich an der Luft oder beim Verarbeiten sehr schnell – übrig bleibt ein wunderbares Bittermandelaroma. Am besten legt man junge Blättchen dafür in Alkohol, z.B. Wodka, ein – nach zwei Wochen ist das Aroma im Schnaps, der dann nur noch nachreifen muss.

Bittersüß und ziemlich sauer

Vogelbeeren in einer Schale
Die einzelnen Vogelbeeren erinnern an winzig kleine Äpfel.

Doch mir geht es vor allem um die Beeren. Viel Vitamin C ist drin, bis zu 250 mg je 100 g Frischware. Interessanterweise liefert die Vogelbeere auch gleich das passende Konservierungsmittel mit: einen sehr hohen Säureanteil. In ungekochten Beeren ist es Parasorbinsäure, die sich beim Erhitzen in Sorbinsäure umwandelt. Die Säure stabilisiert das Vitamin C. Außerdem halten sich Säfte oder Marmeladen mit Vogelbeeren sehr gut, die Farbe bleibt schön leuchtend. Und weil auch Pektin in den Beeren drin ist, benötigt man weniger Gelierhilfen. Das enthaltene Kohlehydrat Sorbit, ein Zuckeraustauschstoff, fällt dafür nicht so auf. Denn die Bitterstoffe überdecken die Süße.Apropos bitter: Das sind Vogelbeeren wirklich. Aber bitter macht lustig. Nicht nur, weil Bitterstoffe den Appetit regulieren, die Verdauung anregen und sogar antidepressiv wirken sollen. Nein: Die Bitterstoffe gerade der Vogelbeere bringen eine spannende, bittersüße Note in Desserts, Marmeladen, Chutneys, Pastasaucen und Drinks.

Besser als ihr Ruf

Eberesche mit Früchten an einer Straße
Eine Eberesche mit vielen Früchten.

Weshalb Vogelbeeren den Ruf haben, giftig zu sein, konnte ich bis heute nicht eindeutig herausfinden. Möglicherweise liegt es an den Blausäureglykosiden in den Kernen. Die Mengen sind jedoch so gering, dass man sich damit nicht vergiften kann. Die ebenfalls enthaltene Parasorbinsäure vertragen wir tatsächlich nicht besonders gut, aber giftig ist sie nicht. Wer davon zu viel erwischt, darf mit Bauchschmerzen, Übelkeit und Durchfall rechnen. Aber ich kenne niemanden, der freiwillig so eine große Menge der rohen Beeren essen würde. Und die Sorbinsäure, die nach dem Erhitzen in den Beeren bleibt, führt nicht zu diesen Reaktionen.

Doch nun zur Ernte und damit zum Haken an der Geschichte. Sind die Vogelbeeren einmal reif, heißt es schnell sein. Sonst haben die Vögel den Baum bereits abgeräumt. Der Empfehlung, erst nach dem ersten Frost zu ernten, bin ich daher noch nie nachgekommen. Denn dann ist meist alles weg. Das Beeren-Putzen nach der Ernte fällt in die Kategorie „Slowfood“: Zunächst muss man sie gut waschen, denn sie haben oft eine klebrige Staubschicht. Dann gilt es, die Beeren von den kleinen Stielchen zu lösen und schadhafte Exemplare auszusortieren. Eine etwas zeitintensive Aufgabe. Wer es nicht so bitter mag oder die Beeren erst später verarbeiten will, friert sie anschließend ein. Das nimmt die Bitterstoffe, aber der Vitamin C Gehalt sinkt auch.

Mus, kandiert, als Sirup oder Trifle: Rezepte zur Vogelbeere findet Ihr hier im Blog!

Hält Blitze ab und stärkt das Immunsystem

Stichwort Vitamin C: Generell gehört die Vogelbeere nicht zu den typischen Heilpflanzen. Mit ihrem hohen Vitamingehalt stärkt sie jedoch das Immunsystem und hilft gegen Erkältungen. Außerdem unterstützt sie eine basische Ernährung. Die Volksmedizin nutzt Vogelbeeren bei Husten und Heiserkeit, bei Rheuma und Gicht sowie bei Magen-Darm-Verstimmungen. Die Form: getrocknet, als Saft, Mus oder Tee.

Und gegen noch etwas soll die Vogelbeere genauer der Baum, die Eberesche, helfen: Gegen Blitzschlag, Dämonen, Unheil und Verzauberung. Bei den Germanen war sie Thor, dem Gott der Blitze, geweiht. Den Kelten galt sie als Baum des Lebens. Sie bringt also Glück und schützt – jedoch nur, solange man sie nicht abholzt und das Holz außer Haus bleibt. Als Schutz, Schmuck und Delikatessen an einem Baum: Wie viele Gründe kann es noch geben, in die nächste Lücke im Garten eine Eberesche zu pflanzen?

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7 Kommentare

Gekocht, kandiert, püriert: Vogelbeer-Genüsse – wildkräuter köchin 21. August 2018 - 9:29

[…] Vogelbeeren – bittersüß, randvoll mit Vitamin C und als Dessert, Nascherei oder Chutney ein wunderbar herbes Highlight. Finde ich zumindest. Hier ein paar Rezepte: […]

Antworten
Erntedank. Oder: Sommer im Glas – wildkräuter köchin 25. Oktober 2018 - 12:02

[…] ist dabei auch wortwörtlich zu verstehen: Von Vogelbeeren über die Hagebutte bis zu den Weißdornfrüchten gab und gibt es rund um uns herum reichlich wilde […]

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Dieser Hipster mag Ketchup – wildkräuter köchin 27. Oktober 2018 - 11:30

[…] ihre Inhaltsstoffe. Ja, der Herbst ist immer noch Rosengewächs-Zeit. Über die von mir geliebten Vogelbeeren habe ich ja bereits ausführlich geschrieben. Doch auch die Hagebutte, die eigentliche Frucht der […]

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Rainer Großmann 1. November 2018 - 0:21

Servus, Frau von der Hausen,

gerade habe ich mein erstes Vogelbeerkompott gemacht. Die Beeren habe ich heute Nachmittag geerntet. Frost hatten sie bisher kaum und auch in die Gefriertruhe wollte ich sie nicht vorher geben, denn das Versucherle, das ich drei Tage vorher gemacht habe, war ohne Einfrieren angenehm süß und kaum bitter geworden.

Beim Passieren heute durch ein Sieb blieben zu viele Schalen und Muß übrig, so dass ich mich entschied, keine Marmelade, sondern das Ganze mit Kernen und Schalen als Kompott zu machen. Mixen wollte ich es nicht, da alles noch heiß war.
Am Ende kann ich sagen, dass das Kompott recht bitter ist und eine gewisse Schärfe im Nachgang hat. Viel kann man nicht davon essen.

Ich werde das Kompott versuchsweise nach dem Öffnen der Gläser nachträglich noch in die Gfriere stellen. Vielleicht entbittert es sich noch etwas.

Viele Grüße vom Landkreis Konstanz

Rainer Großmann

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wildkraeuterkoechin 1. November 2018 - 14:37

Hallo Herr Großmann, wie bitter Vogelbeeren sind ist tatsächlich von Baum zu Baum sehr unterschiedlich. Ich würde das Mus mischen – am besten passt in Ihrem Fall vermutlich Birnen-Kompott.
Hoffe, das hilft 🙂 Herzliche Grüße, Claudia Schulte zur Hausen

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Peter böckelmann 6. November 2022 - 16:36

Guten Tag, ich liebe die Eberesche als Strauch (meist in Baumform vorhanden ) mit seinem wunderschönen Austrieb, den filigranen Blättern und dem farbigen Bild im Herbst/Winter. Was scheinbar wenig bekannt ist: es gibt eine essbare, wenig bittere Edel-Eberesche („Rosina“ ) mit orangenen Früchten und eine fast völlig unbittere dunkelrote, die ich damals von meiner Baumschule bekam ( „Dr. Stoll“? ). Beide eignen sich super für Kompott, da sie nur eine leichte Bitterkeit haben und lange nicht so langweilig wie preisselbeeren schmecken: ideal zb als Beilage für Wild!

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wildkraeuterkoechin 23. Februar 2023 - 10:37

Danke, das sind tolle Tipps!

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