Liebe geht durch den Magen

von wildkraeuterkoechin

Wildpflanzenküche mit Aussicht – Teil II

Seit meiner Teenagerzeit koche ich. Mit viel Experimentierfreude. Und eigentlich immer aus Liebe. Als Geburtstagsgeschenk für den Vater, zum Muttertag für die Mama. Für den Liebsten. Mit Freunden. Für die Familie, die Kinder. Oder auch einfach für mich. Welch ein Glücksgefühl, wenn der große Saucentopf bis auf den letzten Tropfen leer geschleckt ist. Von einem Berg frischer „Hollerkiacherl“ – da sind wir schon bei den Wildpflanzen – nach Minuten nur Krümel zu sehen sind. Und mit selbst gemachter Marmelade verschmierte Kindergesichter glücklich strahlen. Nicht zur vergessen: Familie und Freunde gemeinsam am Tisch. Genießend, lachend, diskutierend, feiernd – das Essen mit einander teilend. Wo findet sich mehr Liebe?

Doch es ist nicht nur das Ergebnis, das ich am Kochen liebe. Jahr für Jahr bekommen die Zutaten, ihre Qualität und Herkunft mehr Bedeutung. Lebens-Mittel = Mittel zum Leben, dahinter steckt am Ende ein philosophischer Ansatz. Natürlich war mir das nicht immer so klar wie heute. Schließlich bin ich zur besten „Miracoli ist fertig“-Zeit groß geworden. Und die Mikrowelle hat bei uns Zuhause mehr als einmal den Ofen ersetzt. Doch nach den ersten Jahren der Freude über sehr günstige Flug-Mangos vom Discounter veränderte sich meine Wahrnehmung.

Die großen Lebensmittelskandale  haben dabei sicher eine Rolle gespielt. Aber die eigentliche Erfahrung kam nicht über den Kopf. Sie kam über den Geruch, den Geschmack – Liebe geht bei mir einfach über die Nase, den Gaumen und durch den Magen. Der Duft reifer Sommer-Tomaten, der reichhaltige Geschmack von frischem Salat vom Feld, die Farb-, Formen- und Aromen-Vielfalt von Kartoffeln oder Kürbissen vom Bauern… Als wir dann vor 12 Jahren mit der Alm unser „Wochenendrefugium“ außerhalb der Stadt bezogen, war es wie selbstverständlich die Milch vom Bauern zu holen, den Käse ebenso. Dazu kamen neue Erfahrungen: Kräuter, die ich anpflanzte, wuchsen wie wild. Und kamen an immer neuen, ungeahnten Stellen wieder zum Vorschein. Ebenso ging es mir mit den Himbeeren. Dafür wurde aus der dunkelroten Edelrose nach einer Saison eine hellrosa Wildrose – ich weiß bis heute nicht, wie sie das gemacht hat.

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Dipps gehen immer: Selbstgemachter Frischkäse mit Labkraut, Gundermann, Schafgarbe und einer Schnittlauchblüte

Lecker oder bäh?

Ich lernte, Joghurt und Frischkäse zu machen, sammelte saure wilde Brombeeren und süße, gelbe Wildpflaumen und kochte sie ein. Alles was essbar war, eher unempfindlich und quasi von allein wuchs, war meins. Und immer stärker drängte sich die Frage auf: Was wächst da denn noch alles? Und was kann ich damit machen? Gerichte mit Brennnesseln und Löwenzahn waren der Anfang. Ich lernte Vogelmiere, Giersch und Gundermann kennen und genießen. Begann zu experimentieren: Welche Wildpflanze schmeckt wie? In welches Gericht passt sie gut – und wann schmeckt es nur nach Gras? Entdeckte, dass die Ährige Teufelskralle nicht gefährlich ist und die Wald-Engelwurz gar nicht so selten, schälte mit zerstochenen Händen Disteln (die nach Artischocken schmecken) und dünstete Guten Heinrich anstelle von Spinat. Und stellte fest, dass er ohne milden Match-Partner so bitter ist, dass sogar ich selbst verweigerte. Ich schnippelte, passierte, dünstete, buk… Nicht alles war sofort ein Hochgenuss. Und wie groß war die Enttäuschung, wenn Gäste die mühsam gepflückten Blüten auf die Seite legten. Wenn die Kinder nach dem ersten Bissen mit verzogenem Gesicht um ein Käsebrot baten. Bis heute wollen manche Gericht gar nicht so werden, wie ich es will. Aber das gehört wohl auch dazu.

Essen statt jäten

Mit jeder neuen Pflanze, die ich kulinarisch entdeckte, veränderte sich auch mein Verhalten im Garten und an den Wiesenrändern. Beim Wandern halte ich ständig an, um eine Pflanze zu begutachten. Und wenn ich früher noch den Löwenzahn rund um den Spielplatz ausgerissen habe, wird er heute nach der Blüte liebevoll gestutzt…. Geliebte Pflanzen dürfen wachsen, sie müssen nur anderen Pflanzen Platz zum Leben lassen. So wird „Unkraut jäten“ eher zur Mengenbegrenzung, denn zur Beseitigung. Manche Wildkräuter – wie den Guten Heinrich oder Giersch – schneide ich nur, damit sie den ganzen Sommer junge Triebe haben. Andere, wie die gewöhnliche Schafgarbe, habe ich ausgegraben und für den täglichen Gebrauch in meiner Nähe angesiedelt. Sie wächst wie wild. Auch das ist so ein Thema: Die Freiheit zu wachsen, endet für meine Wildpflanzen dann, wenn sie die Freiheit anderer Pflanzen zu sehr einschränkt. Denn manche sind stärker als andere. Und nur Brennnesseln, Löwenzahn und Hahnenfuß – das hat dann mit Biodiversität auch nichts mehr zu tun.

Mehr zur Wildpflanzenküche mit Ausblick? Das sind die Themen der weiteren Kapitel:

Teil I: Wildpflanzenküche mit Ausblick

Superfood, Slowfood, Soulfood…

… und obendrein noch gesund.

Mix’nMatch – wir haben die Wahl

Bienenfreundlich und plastikfrei

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1 Kommentar

Wildpflanzenküche mit Ausblick. Teil I – wildkräuter köchin 21. Juni 2018 - 11:56

[…] Teil II: Liebe geht durch den Magen […]

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