Viele heimische Bäume bieten nicht nur im Herbst, sondern auch jetzt im April und Mai kulinarische Genüsse. Knospen, Blätter, Blüten sind voll von unzähligen Aromen. Da lohnt es sich zu wissen, welcher Baum welche Spezialitäten im Angebot hat. Hier der Anfang einer kleinen Baum-Genuss-Kunde: Spitz-Ahorn, Rot-Buche, Linde und Weißdorn.
Give me Five: Der Spitz-Ahorn
Acer platanoidis heißt der Baum – siehe Bild oben – der im Frühling so hell gelb-grün leuchtet, mit botanischem Namen. Das Leuchten kommt von den Blüten, die zahlreich in doldigen Rispen bereits vor dem Laub erscheinen. Seine großen, handförmig gelappten Blätter sind markant – und deshalb auch gut zu bestimmen. Sie werden bis zu zehn Zentimetern groß, sind gestielt und haben fünf lang zugespitzte, ganzrandige Blattlappen. Die Rinde junger Spitz-Ahorn-Bäume ist blassbraun und glatt, im Alter wird sie dunkler, bildet aber nur wenig rissige Borke. Als „Nasenzwicker“ kennen wir die bei Kinder beliebten Ahorn-Früchte, die paarweise geflügelte Nüsschen tragen.
Für die Frühlingsküche ist der Spitz-Ahorn eine echte Bereicherung. Ahorn-Blüten streue ich einfach über einen Salat oder dekoriere alle möglichen Gerichte mit den Döldchen. Etwas aufwändiger aber sehr lohnend ist es, sie in Teig auszubacken – wie Hollerkiacherl oder Tempura. Sehr junge Ahornblätter schmecken fein im Salat, auch weich gekocht und gestampft oder als Teil eines Gemüsegerichtes geben sie eine herb-aromatische Note. Ausgewachsener-Blätter lassen sich einlegen und wie Wein-Blätter zum Verpacken und Einrollen verschiedener Gerichte verwenden. Besonders elegant – roh oder gedünstet – schmecken die jungen Ahorn-Sprossen, die an den noch vorhandenen Flügeln leicht zu erkennen sind. Ahorn-Sirup wird übrigens aus dem sehr zuckerreichen Frühlingssaftstrom kanadischer Ahorn-Arten gewonnen.
Königin heimischer Wälder: Die Rot-Buche
Wären unsere Wälder rein auf sich gestellt, würde in großen Teilen Deutschlands vor allem die Rot-Buche das Bild bestimmen. Fagus silvatica ist der botanische Name der sommergrünen Bäume, die bis zu 40 Meter hoch werden können. Im Winter erinnern die kahlen Stämme mit der glatten, grauen Rinde ein wenig an Elefantenfüße. Typisch sind jedoch die „Chinesenbärte“, halbrunde, dunkle Rindenausstülpungen, die sich über Astlöchern bzw. Astnarben bilden. Für mich sind sie die Augen des Waldes. Buchenblätter werden bis zu 10 cm lang, die Form ist elliptisch bis eiförmig, der Rand glatt. Bei jungen Blättern ist er deutlich behaart, fast als hätten sie Wimpern. Wie gefälteltes Papier wirkt die Struktur der jungen Blätter durch die von der Längsader ausgehenden parallelen Blattadern. Die Blüten der Buchen sind eher unscheinbar, männlich und weiblich am gleichen Baum. Umso markanter erscheinend dafür die spindelförmigen, bis zu 2 cm langen abstehenden Knospen.
Kommen wir zu den Delikatessen: Ein echter Genuss sind Buchen-Sprossen: Zwei halb-tellerförmige, sattgrüne, fleischige Blätter mit kleinem Spross in der Mitte, die mit etwas Phantasie an eine Tänzerin erinnern. Leider gibt es sie nur in Mast-Jahren, doch dann kann man sie im März reichlich ernten. Sie schmecken pur, aber auch eingelegt wie Kapern oder in Öl oder Butter kurz in der Pfanne geschwenkt. Junge Buchenblätter sind im April/Mai besonders fein, wenn sich der Stiel noch ganz leicht zerdrücken lässt. Sie ergänzen Salate, diverse Gemüsegerichte, Suppen und so weiter. Besonders interessant und lang haltbar schmeckt Buchen-Sauerkraut aus feingeschnittenen, mit Milchsäure fermentierten Buchenblättern. Wer bis zum Herbst warten will, kann Bucheckern sammeln – sie enthalten ein besonders hochwertiges Öl.
So mild, so fein: Die Linde
Ob Winter- oder Sommer-Linde – auch um die Linde ranken sich Geschichten und Traditionen. Nicht umsonst heißen Gasthöfe „Zur Linde“ und Straßenzüge „Unter den Linden“. Schon vor Jahrhunderten trafen sich die Menschen unter der Dorf-Linde, wurde unter der Linde (sub tilia) Recht gesprochen. Tilia ist der botanische Name des großen Malvengewächses, das anders als seine kleinen, bunt-blühenden Verwandten bis zu 40 Meter hoch wird. Typisch für die Linde sind halbkugelige bis kegelförmig Kronen und die bräunlich-graue Rinde zeigt feine Längsfurchen und eine netzartige Struktur. Lindenblätter sind bis zu 10 cm lang, schief herzförmig, mit gezähntem Rand. Ein typisches Merkmal der Winter-Linde ist rot-brauner Flaum in den Winkeln der Blattadern. Bei der Sommer-Linde ist er hell, fast weiß. Die Lindenblüten sind als Bestandteil vieler Fieber- und Erkältungstees bekannt. Sie duften intensiv, sind jedoch nur gut 1 cm klein. Dafür treten sie in Büschelgruppen auf. Mindestens 3, bis zu 10 Blüten und immer sind sie mit dem flügelartigen Tragblatt verwachsen, das später der Frucht auf dem Weg zum Boden als Segel dient.
Kulinarisch kommen meist die Blätter der Sommer-Linde zum Einsatz, generell eignen sich aber alle Lindenarten für die gleichen Zubereitungen. Vor allem die sehr jungen Blätter ergeben feine Salate. Sie schmecken weich, erinnern an sehr feinen Kopfsalat, doch mit eigenem Aroma. Eine wunderbare Kombination bilden sie mit Sauerampfer – wie Essig und Öl. Generell können die jungen Lindenblätter als Basis im Salat, aber auch in vielen Gemüsegerichten und Suppen verwendet werden. Mit ihrem Schleimstoffgehalt dicken junge Blätter, aber auch Triebe und Knospen, Suppen oder Desserts leicht an. Große Blätter nutze ich für Baum-Rouladen und Lindenblüten schmecken in Kräuterquark und Eierspeisen, aber vor allem aromatisieren sie Süßspeisen – als Gelee, Zucker oder Sirup. Nicht zu vergessen: Lindenblüten in Schokolade als herb-süße Leckerei.
Genuss fürs Herz: der Weißdorn
Der Crataegus – wie Weißdorn in der Fachsprache heißt – ist ein großer Busch oder ein kleiner Baum. Wir finden das Rosengewächs häufig als Teil einer Hecke. Er hat spitze, festsitzende Dornen und dunkelgrüne, bis zu 5 cm große, wechselständige Blätter, die am Rand ungleichmäßig abgerundet gelappt sind. Die Borke zeigt sich graubraun und flach geschuppt. Der Weißdorn blüht weiß, meist im Mai/Juni, und trägt im Spätsommer kleine rote Steinfrüchte. Ob diese einen oder zwei Kerne aufweisen, hängt davon ab, ob der jeweilige Baum/Busch ein- oder zweigrifflig ist. Dieser Unterschied ist botanisch zwar wesentlich, spielt aber bei der Verwendung – ob in Küche oder Heilkunde – keine Rolle.
Der Sage nach wohnen im Weißdorn die Elfen, wissenschaftlich bewiesen sind seine herzstärkenden Eigenschaften. So fördert er die Durchblutung, reguliert den Blutdruck und lässt gleichzeitig den Herzmuskel kraftvoller arbeiten. Kulinarisch gesehen kommen zumeist die Früchte des Weißdorn vielfältig zum Einsatz: als Mus, Bestandteil einer Marmelade, im Gebäck…. Weniger bekannt ist, dass auch die jungen, weichen Blätter eine fein-herbe Zutat zu einem Salat oder im gemischten Wildgemüse sein können. Für den ultimativen Geschmackstest streue ich einfach ein paar junge Weißdornblätter fein gezupft auf ein Butter- oder Frischkäsebrot. So kommt das Aroma am besten zur Geltung. In Weißdorn-Blüten versteckt sich das für mich interessanteste Genuss-Geheimnis: Trotz ihres fischigen Geruchs, bringen sie einen wunderbaren Geschmack nach Bittermandel und Marzipan mit. Damit lassen sich Blütensahne, Pudding oder – besonders fein – Panna Cotta aromatisieren.
Doch genug geschwärmt. Raus in den Garten oder Park und am besten gleich testen, wie das junge Baumgemüse schmeckt. Rezepte mit Rot-Buche, Weißdorn, Ahorn und Linde gibt es hier.