Bssssssss… Es geht wieder los: Laut Radio hat am 1. Juni die Mücken-Saison angefangen. Durch den heißen, sonnigen Frühsommer summt und brummt es gefühlt schon seit Wochen an allen Ecken. Zum Glück, denn ich freue mich mittlerweile über alle Insekten. Nur in der Wohnung brauche ich sie nicht. Und auch auf Mücken- und Wespenstiche verzichte ich lieber. Doch immer lassen sie sich nicht verhindern. Wie gut, dass dagegen ein Kraut gewachsen ist. Ein Kraut, das den Juckreiz nach einem Stich vertreibt und die Schwellung lindert. Ein Kraut, das fast überall zu finden ist – und momentan auch schön auffällig blüht. Und essen können wir ihn auch noch – den Spitzwegerich.
Wächst am Weg
Plantago lanceolata, so der botanische Name, wächst auf unseren Wiesen und Weiden, auch an Wegrändern, und ist in ganz Europa sowie in den nördlichen Regionen Afrikas und Asiens bis zu einer Höhe von ca. 1.900 Metern zu finden. Seine typischen Merkmale sind die lanzettlich-länglichen, sehr spitz zulaufenden und meist dunkelgrünen Blätter, die als kleine, eng am Boden anliegende Blattrosette bereits zeitig im Frühjahr zu finden sind. Je mehr das Gras der Umgebung wächst, desto mehr recken sich die Blätter dem Licht entgegen. Auf fetten Wiesen werden sie auch mal gute 20 Zentimeter groß, vielleicht sogar größer (Nachgemessen hab ich noch nie…).
Spitz, breit oder mittel?
Die spitz-längliche Blattform und kantige Längsfurchen, welche durch die markanten, parallel liegenden Blattnerven entstehen, unterscheiden den Spitzwegerich eindeutig von anderen Pflanzen. Eine Verwechslungsgefahr besteht daher nur mit seinen direkten Verwandten, dem Mittleren Wegerich oder dem Breitwegerich. Allerdings entwickeln diese breitere, bauchigere Blätter und einen längeren Blütenstand. Außerdem bevorzugen sie einen anderen Untergrund. Und: Alle drei Arten sind essbar und können ähnlich verwendet werden.
Die Blüten des Spitzwegerichs sind eher schlicht, er bildet viele kleine Einzelblüten in einer länglichen oder kugeligen Ähre. Momentan erinnern sie mich oft an große Flocken, die über der Wiese zu schweben scheinen. Denn der Stängel ist dünn, wenn auch ziemliche stabil. Die Ähre trägt nach der Blüte dann auch die kleinen, bräunlichen kugelförmigen Samen.
Von Hustensaft bis Wespenstich
Doch nun zu den Mücken-, den Wespen-, den Brennnesselstichen und all den kleinen Schürfwunden und Blessuren, die sich an Sommer-Sonne-Draußen-Tagen bei Klein und Groß so zeigen können. „Schnell Spitzwegerich drauf!“, rief eine Freundin, als mich vor Jahren – noch vor dem Beginn meiner „Wildkräuterzeit“ – in ihrem Garten eine Wespe stach. Sprachs, nahm ein Blatt, knickte es mehrfach, zerquetschte es mit den Fingernägeln und schmierte mir den „Pampf“ auf den Stich. Innerhalb kürzester Zeit schwand der Juckreiz, der Stich schwoll nicht weiter an und war ziemlich bald nicht mehr zu sehen. Wie man sich vorstellen kann: Ich war überzeugt. Und hatte ein neues Wiesenpflaster entdeckt, dass auch meine Kinder bald begeistert ihren Freunden empfahlen.
Apropos Kinder: Wer die Zutatenliste eines phytotherapeutischen Kinderhustensaftes liest, findet auch hier häufig den Spitzwegerich als Zutat. Und in der Apotheke gibt es den Spitzwegerichtee gegen leichte Magen-Darm-Probleme. Alle Wegericharten wirken antibakteriell, erfrischend und reinigend. Die Volksheilkunde nutzt den Spitzwegerich äußerlich bei Verletzungen, Verbrennungen, Entzündungen und Insektenstichen; innerlich setzt sie ihn zur Reizlinderung bei Husten, Heiserkeit und Rachenentzündungen ein, aber auch bei Reizungen im Magen-Darm-Trakt.
Super Food am Wegesrand
Verantwortlich für diese Wirkung ist – wie so oft bei Wildpflanzen – der Mix an Inhaltsstoffen. Das Aucubin bringt die sehr effektive antibiotische Wirkung mit, Gerbstoffe helfen gegen Juckreiz und Entzündungen, Schleimstoffe beruhigen die (Schleim-)Haut. Flavonoide schützen die Zellen, Kieselsäure ist gut für Haut, Haar und Fingernägel. Außerdem sind viel Vitamin B, C und K sowie reichlich Mineralstoffe drin, vor allem Eisen, Kalium und Zink. Letzteres stärkt Wundheilung und Abwehrkraft. Interessant ist, das Spitzwegerich auch bei Nikotinentwöhnung helfen soll, sowie bei Niedergeschlagenheit oder Schlaflosigkeit. Dazu kann ich persönlich jedoch nicht mit Erfahrungen aufwarten. Seine Inhaltsstoffe machen den Spitzwegerich zu einem würdigen Mitglied der wilden Superfoods. Gegenanzeigen oder die Gefahr der Überdosierungen sind mir bei allen drei oben genannten Wegericharten nicht bekannt. Aber wie immer gilt es auch hier: Vorsichtig dosieren und im Zweifel den Arzt um Rat fragen.
Meine Lieblingsform der Einnahme? Essen! Kulinarisch hat der Spitzwegerich nämlich auch einiges zu bieten. Hier geht’s zum kulinarischen Teil und den Rezepten. Doch vorab noch ein einfaches Hustensaft-Rezept:
Erdkammersirup mit Spitzwegerich
Im Frühsommer reichlich schöne Spitzwegerichblätter sammeln, gut waschen, trocken und quer zur Rippe in schmale Streifen schneiden. In ein sauberes, breitbauchiges Glas abwechselnd je eine ein bis zwei Zentimeter dicke Schicht Spitzwegerich und Zucker oder Honig füllen, bis das Glas randvoll ist. Gut verschließen und in ca. 30 – 50 Zentimeter tief in die Erde vergraben. (Ein sehr gleichmäßig kühler, dunkler Kellerschrank tut es übrigens auch.) Hier kann der Zucker die Heilstoffe aus dem Wegerich ziehen und die Temperatur bleibt schön gleichmäßig kühl, so dass der Glasinhalt nicht zu gären beginnt. Nach drei Monaten das Glas wieder ausgraben, den entstandenen Sirup abfiltern und in kleinen, dunklen Flaschen kühl aufbewahren. Bei Husten, Halsweh, Heiserkeit löffelweise vorsichtig dosieren. Der Sirup hält etwa ein Jahr.
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[…] und je nach Alter und Größe sogar zäh und faserig ist. Erst bei längerem Kauen entwickelt der Spitzwegerich – die beiden anderen sind im Geschmack sehr ähnlich – seinen nussig, pilzigen Geschmack. Daher […]